Vor 75 Jahren wurde im Neusser Ruderverein eine Damenriege gegründet. Mit Dr. Hildegard Wellens und Anneliese Heusgen wurden zwei Gründungsmitglieder dafür auf der Jahreshauptversammlung ausgezeichnet.
NEUSS Dr. Hildegard Wellens hat in der Schule davon erfahren. Schließlich war sie in einer Klasse mit der Nichte der Trainerin. Sie kann sich noch gut daran erinnern. „Ich bin dann mit dem Fahrrad hingefahren und habe mir das angeguckt." Fortan war Wellens begeistert vom Rudern. Das war 1936. Damals wurde die Damenriege im Neusser Ruderverein (NRV) gegründet.
„Das war etwas neues Sportliches für Frauen", erinnert sich die 91jährige. Wenn die Medizinerin heute davon erzählt, gerät sie ins Schwärmen. Im Boot auf dem Rhein zu sitzen, sei ein „sehr intensives Gefühl", erzählt sie. „Das Wasser, die Anstrengung und die Herausforderung haben mich immer begeistert." Anders als Wellens, die erst nach der Gründung ruderte, war Anneliese Heusgen bereits vorher auf dem Wasser. Der damalige Ruderwart Jonny Neumann war mit dieser Entwicklung jedoch nicht einverstanden. Doch vermutlich beschleunigte die Verwegenheit der Damen die Gründung der Damenabteilung am 18. September 1936. Im Winter 1936/37 trainierten die Damen zunächst „auf dem Trockenen". Offiziell ging das erste Damenboot des NRV dann am 4. April 1937 aufs Wasser. Seitdem trägt auch die Damenabteilung zu den sportlichen Erfolgen des Rudervereins bei. Höhepunkt war sicherlich die Olympiateilnahme von Hiltrud Gürtler im Jahr 1976. Am Anfang war das Rudern für Frauen allerdings nicht leicht. „Wir mussten blaue Shorts tragen und ein weißes Oberteil mit langen Ärmeln" erinnert sich Wellens. Das Schlimmste sei aber gewesen, noch vor dem Aussteigen aus dem Boot wieder eine lange Hose anzuziehen. „Wir mussten doch ein ordentliches Bild abgeben." An abfällige Bemerkungen der Männer kann sich Wellens nicht mehr erinnern. Aber viel Kontakt habe man „zu denen" auch nicht gehabt. Heusgen erinnert sich an einige Schwierigkeiten zu, Beginn. „Wir waren den Männern untergeordnet", sagt sie.
Für Hildegard Wellens überwiegen die positiven Eindrücke. Anstrengungen wie das Tragen der schweren Boote fielen nicht ins Gewicht, sagt sie. Wenn man stolz ist, spielt das keine Rolle." Wellens fing nach einer längeren Pause Ende der Sechziger Jahre noch mal mit dem Rudern an, ruderte aber bei weitem weniger als früher. Nach dem Tod ihres Mannes halfen ihr die Vereinsmitglieder weiter: „Zum Sport gehört halt mehr als die körperliche Anstrengung." Für ihr Engagement und Vereinstreue wurden Heusgen und Wellens auf der Jahreshauptversammlung mit dem silbernen Ehrenbecher ausgezeichnet.
Damen im Ruderverein
Mit der Integration der Damen hat sich der Ruderverein schwer getan. Zum Teil auch auf Wunsch der Frauen. Bis 1971 tagte die Jahreshauptversammlung als reine Männerrunde. Erst 1974 wurde das Gemischtruder-Verbot aufgehoben. Der heutige Vorstand wünscht sich noch mehr aktive Ruderinnen.
(Neuss-Grevenbroicher Zeitung 05.02.2011, Jascha Huschauer, Foto Andreas Woitschützke)